Unsere Kirche
Unsere Marktkirche zum Heiligen Geist
Die erste Clausthaler Kirche wurde von 1570 bis 1573 an der Stelle der früheren
alten Bergschule, Ecke der Adolph-Roemer-Straße und Hindenburgplatz, erbaut.
Mindestens 60 Gulden zahlte die Knappschaft auf Veranlassung durch die Berghauptmannschaft. Vermutlich war diese Kirche nicht sehr groß und genügte bei der wachsenden Zahl der Bevölkerung bald nicht mehr; auch war sie baufällig geworden. Deshalb errichtete man 1610–11 eine neue Kirche mitten auf dem Marktplatz. Diese Kirche unterstützte die Knappschaft mit 136 Gulden. Es war eine Holzkirche wie die meisten Harzkirchen. Das ganze Dach war mit Blei gedeckt und schon acht Jahre später schadhaft, so dass Richter und Rat um die Schenkung etlicher Zentner Bleies zur Ausbesserung des Kirchendaches baten. Während eines Stadtbrandes in Clausthal am 20. September 1634 wurden 162 Häuser, das Rathaus mit fast allen öffentlichen Schriften, das Gefängnis, die Schule, die Kirche und Pfarr- und Lehrhäuser binnen sechs Stunden vernichtet. Die Gottesdienste wurden dann in der Friedhofskapelle auf dem alten Gottesacker abgehalten, die zu diesem Zwecke erweitert wurde. Im folgenden Jahre riss man sie ganz ab und baute an derselben Stelle eine Kirche, die für Gottesdienste einen größeren Raum darbot. Diese Gottesackerkirche bestand lange Zeit als zweite Kirche in Clausthal.
Im Herbst 1637 begann Clausthal zum vierten Male einen Kirchenbau. Im selben Jahre wurde der Glockenturm vollendet; 1639–42 (Zeichnung) wurde das Langhaus errichtet. Den Bau bezahlte die Berghauptmannschaft, weil die Bergleute trotz des Dreißigjährigen Krieges reiche Ausbeute erarbeiteten. In den vorangegangenen Jahren wurden Clausthal und natürlich auch Zellerfeld mehrfach von feindlichen und freundlichen Armeen heimgesucht, die hohe Kriegssteuer erpressten, plünderten und brandschatzten, oder sich Quartier nahmen, so auch während der Bauzeit 1642. Eine weitere Belastung ergab sich durch einen Stadtbrand am Ostermontag 1639.
Pfingsten 1642: Einweihung
Zu Pfingsten 1642 fand die Einweihung statt, weshalb sie auch Kirche zum Heiligen Geist heißt. 1689 wurde sie »wegen Vermehrung der Gemeine […] auf Fürstl. Durchl. Hertzog Ernst Augusten, Bischoff zu Oßnabrück, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg gnädigsten Befehl« um 12 m nach Osten verlängert, wo sich die Orgel und der Chor befinden, die vorher an der Westseite standen, und die Emporen wurden verdoppelt. Zur Erinnerung an die Erweiterung ließen Richter und Rat der Bergstadt eine Urkunde in den Knauf des Anbaus legen. Sie enthält unter anderem ein vom damaligen Superintendenten Magister Theodor Jordan verfasstes lateinisches Gedicht. Die ersten Zeilen lauten:
»Tempore, quo jungit cum Turcis foedera Gallus
Hostis et imperii teutona regna petit,
Urbes Alsatiæ vastat, Captisque Colonis,
In cineres flammis Templa, Domesque dedit, Clausthalia hanc Ædem cultus dilatat […]«
Übersetzung:
»Zur Zeit, da der Franzose mit den Türken Bündnisse schließt und der Feind des Reiches das Deutsche Reich angreift, die Städte im Elsass verwüstet, die Einwohner gefangen nimmt und Kirchen und Häuser eingeäschert hat, erweitert Clausthal dieses Gotteshaus […]«
Aus Fichten- und EichenholzDie aus Fichten- und Eichenholz gezimmerte Pfarrkirche gehört dem Barock an. Das bezeugen äußerlich die charaktervollen welschen Hauben des Glockenturmes und des hinter ihm sitzenden Dachreiters. Sie sind mit Blei gedeckt und mit Wetterfahne sowie vergoldetem Knauf geschmückt. Unten ist der Grundriss des 30 m hohen Glockenturmes quadratisch, über der Glockenstube achteckig.
Im übrigen erscheint der durch Holzverschalung, Schieferdach, fünf Treppenhäuser, zahlreiche Dacherker und häufige Asymmetrie gekennzeichnete Außenbau schlicht und einfach. Es handelt sich um einen nicht ausgemauerten Fachwerkbau. Die Mansarden sind 200 Jahre jünger als das ursprüngliche Kirchengebäude. Die Kirche ist zwei Mal so lang wie breit: 45 m × 22½ m.
Der Innenraum ist eine von hohen Fichtenstämmen getragene, holztonnengewölbte dreischiffige Halle mit doppelter Nord-, West-, und Südempore. Sie fasst über 2.200 Plätze.
Kanzel, Altar und Taufgruppe
Die auf der Turmseite befindliche »Winterkirche« wurde 1974 eingebaut, um Heizkosten zu sparen. Sie bietet 120 Plätze. Kanzel, Altar und Taufgruppe sind Werke von Andreas Gröber, einem der bedeutensten Holzschnitzer des Frühbarocks. Die mit der Jahreszahl 1642 versehene Kanzel ruht auf dem Haupte Moses. Der in Lebensgröße dargestellte Mittler des Alten Bundes hält den Stab, mit dem er Wasser aus dem Felsen schlug, in der rechten und die Gesetzestafeln in der linken Hand. Inschrift: Kanzel, Altar und Taufgruppe
»Du solt lieben Gott deinen Herrn von gantzem Hertzen, von gantzer Seele von gantzem Gemuthe,
und deinen nechsten als dich selbst Matth: 22.«
und deinen nechsten als dich selbst Matth: 22.«
Hier wird also nicht der Dekalog, sondern das Grundgebot der Gottes- und Nächstenliebe (5. Mose 6,5 und 3. Mose 19,18), das Jesus als »vornehmstes und größtes Gebot« bezeichnet (vergleiche Matthäus 22,37 ff.) wiedergegeben.
Christus, Johannes der Täufer, die vier Evangelisten und Paulus umringen in Kontrapostbewegung den mit Granatäpfeln, Weintrauben, Karyatiden und Muschelnischen geschmückten Kanzelkorb. Der Mittler des Neuen Bundes hält als Zeichen seiner Herrschaft in der Hand einen Reichsapfel, eine Weltkugel, die ein Kreuz trägt. Der Ausdruck Kontrapost bezeichnet den Wechsel von Stand- und Spielbein. Der aufgesprungene Granatapfel ist wegen seiner Samenfülle ein Sinnbild der sich verschwendenden Liebe und Barmherzigkeit, die Weintraube ein Abendmahlssinnbild. Eine Karyatide ist eine Skulptur einer weiblichen Figur mit tragender Funktion in der Architektur. Die Engelsköpfe waren ursprünglich am Schalldeckel befestigt. Die Bemalung erfolgte 1736. Trotz mancher Veränderung stellt die Kanzel noch immer eine prachtvolle Schöpfung dar.
Die zwölf Apostel
Die zwölf Apostel
Hoch oben über der schwebenden Taube des Heiligen Geistes stehen die zwölf Apostel am Rande des Schalldeckels in der Reihenfolge des Lukasevangeliums (vergleiche Lukas 6,14 ff.), - von links nach rechts:
• Petrus mit einem Schlüssel,
• Andreas mit einem Schrägkreuz,
• Jakobus der Ältere mit einer Kammuschel am breitrandigen Pilgerhut,
• Johannes mit einem Kelch, aus dem sich eine Schlange erhebt,
• Phillipus mit einem Kreuzstab,
• Bartholomäus mit einem Messer,
• Matthäus – ursprünglich mit einer Hellebarde,
• Thomas mit einem Winkelmaß,
• Jakobus der Jüngere mit einer Walkerstange,
• Simon mit einer Säge,
• Thaddäus mit einer Keule und
• Matthias, der Ersatzmann für Judas, mit einem Beil.
Außerdem erscheinen noch Titus, Stephanus und Timotheus auf dem Kanzeldeckel. Der erste Märtyrer der Urgemeinde trägt einen Palmzweig und einen Stein.
Altartafel und Predella
Die Altartafel ist ein Geschenk des fürstlich braunschweig-lüneburgischen Oberbergmeisters Georg Illing. Sie trägt das Wappen des Stifters (links), das Wappen seiner zweiten Ehefrau Margareta geb. Waner (rechts) und die Inschrift »Georg Illing F.B.L. Oberbergkmeister zum Clausthal hat diese Althar Taffel zur Ehre Gottes machenlasen a[nn]o 1641.« Altartafel und Predella
Die Staffel oder Predella ist mit einem Relief geschmückt, das die Einsetzung des Abendmahles darstellt.
Der evangelische Brauch, den Kommunikanten Brot und Wein zu reichen, dokumentiert sich in der Umschrift. Sie entspricht den Einsetzungsworten lutherischer Fassung (vergleiche das 5. Hauptstück des Kleinen Katechismus): »Nemet hin und esset das ist mein Leib der vor euch gegeben wird solchs thut zu meinem Gedechtnis trincket alle draus dieser Kelch ist das New Testament in meinem Blut, das vor euch vergossen wirt zur Vergebung der Sunden solchs thut sooft ihrs trincket zu meinem Gedec[h]tnis.«
Über der Predella spielt sich im säulengerahmten Mittelfeld die Golgathaszene ab, und über der Kreuzigungsgruppe ist die Auferstehung in einem von Hermen (Büstenpfeilern) flankierten Relief dargestellt. Ursprünglich bildete der Altar eine steil aufragende, dreigeschossige Pyramide. Das Auferstehungsrelief war der obere Abschluss, die Krönung der Tafel. Um 1760 wurde es mit Rücksicht auf die neue Orgel in das zweite Geschoss eingefügt. Inzwischen hatte das Kunstwerk bereits eine bedeutsame Wandlung erfahren (laut Inschrift »Anno 1736«): eine dem Geschmack des Rokokos entsprechende Vergoldung und Alabaster, Porphyr und Lapislazuli nachahmende Bemalung.
Neben diesen Szenen zeigt der Altar noch Einzelfiguren in Hülle und Fülle: die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, Johannes den Täufer, den Apostel Paulus, die vier großen Propheten Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Daniel sowie zwei Engel.
Jeder Evangelist hat bzw. hatte ursprünglich sein Kennzeichen bei sich:
• Matthäus einen Engel,
• Markus einen Löwen,
• Lukas einen Stier,
• Johannes einen Adler,
• Johannes der Täufer ein Lamm,
• Paulus ein Schwert,
• Jeremia ein hölzernes Joch, das die babylonische Fremdherrschaft versinnbildlicht,
• der linke Engel ein Kreuz und
• der rechte Engel eine Martersäule und eine Dornenkrone.
Die Figuren scheinen zu leben und sich zu bewegen. Die Falten der durch hohe Gürtung gekennzeichneten, eng anliegenden Gewänder fließen, die wallenden Mäntel rauschen, die Locken kräuseln sich. Und welche Kraft liegt in den Handbewegungen und welcher Ausdruck in den Händen!
Ein reizendes Orchester
Außerdem zeigt der Altar noch zahlreiche Ornamente: Knorpelwerk, Granatäpfel und Weintrauben. Löwenköpfe versinnbildlichen den auferstandenen Messias, den Löwen aus Juda (vergleiche Offenbarung 5,5), in den Nischen erscheint die Muschel, ein Auferstehungssymbol, geflügelte Engelköpfe schweben, und Spitzpfeiler weisen zum Himmel, in die Ewigkeit. Eine großartige Schöpfung. Ein reizendes Orchester
Hinter dem Altar erscheint der von Johann Albrecht Unger aus Nordhausen 1758 im Rokoko geschnitzte Orgelprospekt. Zwei muskulöse Hermen tragen die Last der großen Pedaltürme, die zierliche Muschelform (die Rocaille) gibt dem Ornament eine heitere Note, und oben auf dem Pfeifengehäuse musizieren pausbackige Putten in Schwindel erregender Höhe. Zwei blasen Posaune, zwei spielen Flöte und eine schlägt die Kesselpauken. Ein reizendes Orchester.
Die vier über dem Brustwerk angebrachten Musikanten (ein Zinkenist, ein Querflötenspieler, ein Trommler und ein Dulzianbläser) sowie die beiden vor der Brüstung der Orgelempore aufgestellten Figuren (ein Posaunist und ein Engel, der ursprünglich auch ein Musikinstrument spielte) stammen noch aus der Werkstatt des Holzschnitzers Andreas Gröber. Sie wurden von der alten Orgel übernommen, die Andreas Weiß aus Meiningen 1642 gebaut hat. Diese stand ursprünglich auf der Westempore. 1689 wurde sie auf die obere Ostempore versetzt.
Die gegenwärtige Orgel wurde 1975 von der Göttinger Firma Paul Ott erbaut und von der Montanindustrie großzügig mitfinanziert. Sie hat 41 auf Hauptwerk, Brustwerk, Schwellwerk und Pedalwerk verteilte Register (31 Manual- und 10 Pedalregister) mit etwa 3.200 Pfeifen. Die größte Pfeife ist etwa 5,8 m lang; die kleinste misst ungefähr 1 cm. Sie ist eine Schleifladenorgel mit mechanischer Spieltraktur und elektrischer Registertraktur.
Die gegenwärtige Orgel wurde 1975 von der Göttinger Firma Paul Ott erbaut und von der Montanindustrie großzügig mitfinanziert. Sie hat 41 auf Hauptwerk, Brustwerk, Schwellwerk und Pedalwerk verteilte Register (31 Manual- und 10 Pedalregister) mit etwa 3.200 Pfeifen. Die größte Pfeife ist etwa 5,8 m lang; die kleinste misst ungefähr 1 cm. Sie ist eine Schleifladenorgel mit mechanischer Spieltraktur und elektrischer Registertraktur.
Im Altarraum hängen etwa 4 m hohe, mit Bildnis, Inschrift, Wappen und prunkvollem Ornament versehene barocke Grabinschriften. Sie gedenken dem 1698 verstorbenen Zehntner August Matthias Berward und seine 1695 mit 31 Jahren bei der Geburt ihres zwölften Kindes heimgegangene Ehefrau Sophia Katharina geb. Illing.
Gräber
Hinter dem Altar erinnern zahlreiche familiengeschichtlich interessante Grabplatten bzw. Grabschilde an folgende in der Marktkirche beigesetzte Personen (von links nach rechts): Gräber
• Superintendent Johann Friedrich Mecke († 1694),
• Elisabeth Krukenberg geb. Harbort († 1646),
• Oberbergmeister Erhard Drechsler († 1669),
• Pochschreiber Heinrich Rudolf Lunde († 1662),
• Christian Ludwig Lunde († 1664),
• Oberbergmeister Georg Illing († 1644),
• Oberbergmeister Caspar Illing († 1659),
• Lucia Illing geb. Tolle († 1655)
und Richter Jobst Tolle († 1652).
Bergfaktor Georg Illing und seine Ehefrau Dorothea Elisabeth geb. Mecke haben der Kirche den großen Messingleuchter »zur ehre Gottes geben A[nno] 1660«. Georg war ein Enkel des gleichnamigen Oberbergmeisters, ein Sohn Caspars und Lucias, ein Bruder des Markscheiders Adam Illing und der Vater der Sophia Katharina Berward.
QUELLEN
• Meyer, Lothar (1996): Die Marktkirche zum Heiligen Geist in Clausthal. 9. Auflage. Clausthal-Zellerfeld: Piepersche Druckerei und Verlag. • Morich, Heinrich (1943): Chronik der Bergstadt Clausthal-Zellerfeld. 2. Auflage. Clausthal-Zellerfeld: Piepersche Buchdruckerei und
Verlagsanstalt.